Minimalinvasive Lungenvolumenreduktion (ELVR)

Am 6. Oktober 2012 fand im Hotel Mercure in Braunschweig eine Informationsveranstaltung der Deutschen Emphysemgruppe statt.

Minimalinvasive Lungenvolumenreduktion (ELVR)

Referent: Dr. med. Raul Prettner, Internist und Pneumologe, Lungenfacharztpraxis Dr. Storz in Böblingen, Baden Württemberg

Zum allgemeinen Verständnis umriss Dr. Prettner kurz den Aufbau der Lunge. Ein normales Lungengewebe besteht aus vielen Millionen winziger Lungenbläschen (Alveolen). Bei einem Lungenemphysem werden die Wände dieser Lungenbläschen unwiderruflich zerstört. Es entstehen große, schlaffe Lungenblasen. Dadurch geht Atemfläche verloren, und es ist nur noch eine geringere Sauerstoffaufnahme möglich. Das schlaffe Lungengewebe führt auch zu schlaffen Bronchien, die bei stärkerer Atmung zusammen klappen und die Ausatmung behindern (pfeifendes Atemgeräusch). Die Hauptursache beim Emphysem ist immer noch das Rauchen, aber ein Gendefekt oder das Inhalieren anderer Schadstoffe können ebenso dazu führen. Zur Therapie eines Lungenemphysems gehören die Vermeidung von Schadstoffen (Noxen), die Behandlung einer evtl. Grunderkrankung (alpha-1-AT-Mangel) sowie antientzündlich wirkende Medikamente im Rahmen der COPD.  Im fortgeschrittenen Stadium ist eine Sauerstofftherapie und  evtl. eine NIV (nicht-invasive Heimbeatmung) erforderlich.

 In den 90er Jahren wurden bei oberlappenbetonten Emphysemen die am stärksten befallenen Areale chirurgisch entfernt (Lungenvolumenreduktion), was bei einigen Patienten tatsächlich zu Verbesserungen führte. Allerdings war die Komplikationsrate bei den kränksten Patienten nicht akzeptabel, deshalb kommt eine chirurgische Emphysembehandlung nur noch selten und nur bei bestimmten Emphysemformen vor. In wenigen Fällen kommt auch eine Transplantation in Frage. Allerdings sind die Hürden bis zur Listung sehr hoch.

Seit kurzer Zeit kann eine Verbesserung der Atemmechanik durch einen bronchoskopischen Eingriff  erreicht werden. Dr. Prettner erklärte, dass eine ELVR nur für schwerkranke Patienten in Frage kommt, bei denen andere therapeutische und medikamentöse Therapien ausgeschöpft sind. Bei diesem Verfahren ist keine Öffnung des Brustkorbes erforderlich, weil der Eingriff durch eine Bronchoskopie erfolgt und wesentlich schonender ist. Auch ist deshalb  eine flache Narkose ohne Intubation und Beatmung möglich. Meist wird dazu Propofol verwendet.

Derzeit sind vier Verfahren in Deutschland zugelassen, die ein CE Prüfzeichen haben:

Ventile (Spiration oder Zephyr)
Polymerschaum (Airiseals)
Vaporisation
Spiralen (Coils, PneumRx Re Pneu System)

Die Implantation von Ventilen über den Arbeitskanal eines flexiblen Bronchoskops in die Bronchien des am stärksten zerstörten Lungenlappens wird bereits seit einigen Jahren durchgeführt. Durch den Ventilmechanismus wird ein Einströmen von inspirierter Luft in die nachgeschalteten Lungenabschnitte verhindert, während ein Entweichen von gefesselter Luft und Sekret durch den Einwegmechanismus weiterhin möglich ist.  Die Ventile können auch problemlos wieder entfernt werden. Sie wachsen nach Jahren zwar fest, trotzdem ist auch dann eine Entfernung möglich. Der Eingriff ist wenig belastend. Als Komplikation können sich hinter den Ventilen Keime bilden, die eine Entfernung notwendig machen. Der Erfolg kann nicht sicher vorausgesagt werden. Der Effekt einer Ventilimplantation hängt insbesondere vom Ausmaß einer mögli­chen Kollateralventilation ab. Bei einem schwergradigen Lungenemphysem ist die Anzahl der Kollateralen zwischen den einzelnen Lungenlappen häufig erhöht, sodass die durch Ventile verschlossenen Lungenareale retrograd wieder mit Luft gefüllt werden. Mittlerweile steht ein endoskopisches Verfahren zur Verfügung, mit welchem die Kollateralventilation vor einer eventuellen Ventilimplantation mit einem Ballonkatheter gemessen werden kann. Führend in der Entwicklung war die Uniklinik Heidelberg.

Beim Polymerschaum (PLVR) wird ein Hydrogel-Schaum in die Segmente der emphysematisch zerstörten Lunge injiziert. Durch Resorption der enthaltenen Luft und dem starken Entzündungsreiz kommt es nach einigen Wochen zu einer lokalen Volumenreduktion. des behandelten Lungenareals. Zurück bleibt eine fremdkörperfreie Lunge mit feinen Narbensträngen, wie nach einer Lungenentzündung. Es sollten nicht beide Lungenflügel gleichzeitig behandelt werden. Das Verfahren ist nur für die Oberlappen zugelassen und nicht reversibel.

Bei der Vaporisation (bronchoskopische Thermoblation, BTVA) wird heißer Wasserdampf  in die periphere Lunge gebracht und erzeugt eine starke Entzündung. Durch die nachfolgende Fibrosierung (Narbenbildung) kommt es ebenfalls zu einer Verbesserung der Lungenfunktion. Es kann ebenfalls nicht rückgängig gemacht werden.

Seit 2010 wurde mit dem Einsetzen von Spiralen ein neues bronchoskopisches Lungenvolumenreduktionsverfahren zugelassen. Die Coils (Spiralen) bestehen aus einer Nitinol-Drahtspirale, das ist eine Titan-Nickel-Legierung mit einem Formgedächtnis. Sie sind 10 – 15 cm lang. Die Coils werden im Verlauf einer Bronchoskopie im gestreckten Zustand unter Röntgendurchleuchtung in den am stärksten emphysematös veränderten Lungenlappen eingeführt. Dabei wird das Lungengewebe gerafft, weil die Coils nach dem Freisetzen wieder ihre ursprüngliche Form annehmen. Das Verfahren ist auch für heterogene und homogene Emphyseme geeignet. Pro Lungenflügel werden ca. 10 Coils gesetzt. Privatdozent Dr. Hetzel, Chefarzt des Krankenhauses vom Roten Kreuz in Stuttgart Bad Cannstatt, schafft diesen Eingriff durch seine inzwischen gesammelte Erfahrung in weniger als einer halben Stunde. Alle Patienten werden während der Implantation prophylaktisch mit Antibiotika behandelt. Dr. Prettner zeigte dazu einen anschaulichen  Film, bei dem einer Patientin diese Coils implantiert wurden.

Zu den Voraussetzungen für die Implantation von Coils gehören ein Residualvolumen über 200% (die Luft, die bei maximaler Ausatmung in der Lunge verbleibt), ein ausreichendes  Lungengewebe im CT, kein schwerer pulmonaler Hypertonus (Lungenhochdruck), da dadurch das Blutungsrisiko steigt, keine relevanten Bronchiektasen (Aufweitungen des Bronchialsystems), weil sich dort  immer wieder Schleim fängt und sich fast immer dauerhaft Bakterien eingenistet haben, keine Dauertherapie mit gerinnungshemmenden Substanzen,
z. B. Marcumar, eine gut behandelte COPD mit wenig Schleim, Narkosefähigkeit und keine Problemkeime. Auch bei sehr großen Emphysemblasen wird auf eine Behandlung mit Coils verzichtet. Durch den Eingriff wird der Gasaustausch selbst nicht verbessert. Es ist keine Heilung, aber für diese schwer kranken Patienten eine Erleichterung beim Ein- und Ausatmen. Schwere Komplikationen sind selten, allerdings haben fast alle Patienten ein paar Tage blutigen Auswurf. Bei fast 14% kommt es zu einer Pneumonie (Lungenentzündung). Ein Pneumothorax (Kollaps eines Lungenflügels) kommt bei 2,6% und ein pleuristischer Schmerz bei 2 % der Patienten vor.

Bis Anfang Oktober 2012 sind im Krankenhaus vom Roten Kreuz in Stuttgart-Bad Cannstatt von PD Dr. Hetzel bereits 175 Coil-Behandlungen durchgeführt worden. Die Patienten waren zwischen 44 und 78 Jahre alt. Bei den meisten Patienten verbesserte sich nach dem Eingriff die 6-Minuten-Gehstrecke und das Residualvolumen nahm ab. Über 80 % der Patienten haben  von der Behandlung profitiert und würden den Eingriff erneut vornehmen lassen. Dr. Prettner betonte zum Schluss seines Vortrages noch einmal ausdrücklich, dass die ELVR nur ein Hilfsmittel für sehr schwer kranke Patienten ist, denen keine weiteren Therapieoptionen mehr bleiben. Das Emphysem bleibt bestehen.

Im Anschluss an seinen Vortrag beantwortete Dr. Prettner geduldig die vielen Fragen der Anwesenden.

Brigitte Sakuth

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